Es gilt heute als gesichert, dass das Denken die Funktion eines biologischen Systems, nämlich des Gehirns, ist und dass es sich auch nicht unabhängig von dessen innerer Organisation entwickelt haben kann.

Unser Gehirn hat sich in der Evolution schrittweise ausgebildet. Das Denken ist eine Folge evolutionärer (materieller) und historisch-gesellschaftlicher Prozesse, die eine schrittweise Entwicklung symbolischer Funktionen ermöglicht hat.

Genaues Erkennen von Umweltdetails ist schon beim Orientierungs-, Nahrungs- oder Beutesuchverhalten von Insekten gegeben. Wirbeltiere, wie z. B. Vögel, verfügen über strukturierte Bilder ihrer Artumgebung. Die angeborenen Mechanismen sind eine Vorstufe des klassifizierenden Erkennens. Vormenschliche Primaten ordnen die Dinge ihrer Umwelt nach deren Verwendungsweise, z. B. einen Ast zum Stochern, Zuschlagen oder Stützen.

Bei der Assoziation von Lauten mit Begriffen wurden von den frühen Hominiden bedürfnisgerechte Benennungen gefunden („Funktionalwert” eines Dinges und Element produktiven Denkens). Im Prozess der Hominidisierung werden durch Klima- und Umweltveränderungen in starkem Maße Lernen und Umlernen herausgefordert. Lange Märsche in nahrungsarmer Savanne erfordern das Einprägen von Wegemarken, um eine reiche Nahrungsquelle als Ziel wiederzufinden. Solche Routen können klassifiziert werden, z. B. nach Art des Zieles, das man erreichen will. Sie können mit anderen Wegen schnell verglichen werden.

Diese intensivierten Lernbedingungen während der Hominidisierung schaffen bleibende Module menschlichen Denkens: Die Verkettung von Bild- oder Aktionsfolgen im Gedächtnis, ihre Verkürzung wie auch ihre Umkehr sind in vielen komplexen Denkanforderungen enthalten – in der Handhabung mit Mengen oder Zahlen, bei der Planung von Unternehmungen, bei der Konstruktion von Werkzeug, bei taktischer Planung.

Es gibt viele Gründe anzunehmen, dass sich die menschliche Sprache mit dem kombinatorischen Werkzeugdenken entwickelt hat. Mit der Verknüpfung von Lauten an Begriffe entsteht die enge Wechselbeziehung zwischen Sprache und Denken und mit ihr die Doppelfunktion der Sprache, nämlich gleichzeitig Kommunikations- und Erkenntnismittel zu sein.

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